Prä-Covid Geräuschkulissen
In einer Zeit, in der es mir schwer fällt, mich an das letzte Konzerterlebnis lebhaft zu erinnern, denke ich gerne an das En-Scene Projekt für d&b audiotechnik zurück. Ein Projekt, bei dem ich als Gestalter die ersten Phasen der Produktentwicklung mit visualisierten Prototypen unterstützen und Teil eines dynamischen Prozesses sein konnte. Teil dieses Prozesses war nicht nur die Auseinandersetzung mit einem kontinuierlich wachsenden Funktionsumfang, um diesen konsistent in das Bedienkonzept der R1-Fernsteuersoftware zu überführen, sondern auch das Glück, unterschiedliche Stadien der Entwicklung persönlich mit erfahren zu können.
Kraftwerk in "The Mix"
Schon kurze Zeit nach meinem ersten Briefingtermin zum Thema 3D Sound Matrix konnte ich zusammen mit einigen d&b Mitarbeitern ein erstes Pilot Projekt mit früher En-Scene Technik besuchen: ein Abend der Kraftwerk 3-D-Konzertreihe „Der Katalog - 1 2 3 4 5 6 7 8“ zum Album „The Mix“ am 12.01.2015 in der Neuen Nationalgalerie Berlin.
Beim Betreten des gläsernen Universalraums von Mies van der Rohe aus den 1960er Jahren konnte ich mir beim besten Willen keine überzeugende Akustik vorstellen, trotz der großen Anzahl von an der Decke hängenden, grauen Schaumstoffschlangen und der nicht zu übersehenden rundum in regelmäßigen Abständen installierten d&b Boxen. Aber die ersten Töne von Kraftwerk verdeutlichten mir nachhaltig, worum es bei En-Scene geht. Zuerst ein mir bis dahin unbekanntes räumliches Hörerlebnis: Töne wandern durch den Saal, ich kann Klänge unterschiedlichen Bereichen im Raum zuordnen. Bei dem markanten Drumloop des Klassikers Trans Europa Express habe ich das Gefühl, der metallische Sound fährt parallel zur dreidimensionalen Video Projektion quer durch den Raum, geradewegs an mir vorbei. Dann bewege ich mich durch das Publikum des ausverkauften Konzerts, aber egal wo ich mich aufhalte, mein räumlich dynamisches Klangerlebnis bleibt bestehen. Ich bin nicht dem ärgerlichen Phänomen ausgesetzt, zu weit links im Raum stehend, eine volle Dröhnung auf mein linkes Ohr abwehren zu müssen. Dann das Ende der Kraftwerk Best Off Performance: Die Herren an Ihren elektronischen Stehpulten verlassen nacheinander die Bühne. Vor dem Abgang spielt jeder ein Solo seines Parts. Und auch hier suggeriert mir En-Scene, dass ich den Solisten jeweils von seiner Position auf der Bühne höre. Ich denke zwangsläufig an ein normales Stereo Konzert: egal wo sich eine bewegungsfreudige Sängerin auf der Bühne aufhält, Ihren Gesang verorte ich immer nur von rechts oder links kommend.
Auch wenn die Bedienoberfläche an diesem Abend noch komplett ungestaltet nach bestem Wissen der Entwickler und Künstler verwendet wurde, habe ich ein gutes erstes Gefühl erhalten, was die Benutzeroberfläche leisten muss.
Dazu kamen weitere wertvolle Erfahrungen am gleichen Abend, bei der d&b eine kleine Gruppe von Gästen aus der Berliner Club- und Musikszene zu einer Produktpräsentation und Fragerunde eingeladen hatte. Hier ging es nicht um Kosten, sondern um Eindrücke der Gäste nach dem Konzerterlebnis. Wie könnten sich Musiker und Clubbetreiber die Anwendung der gehörten Technologie in Ihrem eigenem Kontext vorstellen. Für mich ein wertvoller Input, bei dem kreative zukünftige Anwender Ihre Wunschanforderungen formulieren, um als Inspiration in die weitere Produktentwicklung mit einfließen zu können.
Die En-Scene Matrix
Bis zur ersten offiziellen R1 Version mit En-Scene Funktionen sollten noch 2 Jahre Projektarbeit und mehrere Testphasen vergehen. Entscheidend war die Fertigstellung des notwendigen Hardware Herzstücks für die Serienproduktion: die DS100 Signal Engine. Die digitale Soundprozessor Plattform stellt eine Matrix von 64 Ein- und Ausgängen bereit, mit Pegel- und Delay-Funktionen an allen Knotenpunkten.
Die Konfiguration und Bedienung der Matrix erfolgt über die R1 Fernsteuersoftware. Bei der Gestaltung der benötigten Bedienelemente war eine einfache und schnell erfassbare visuelle Zuordnung der einzelnen Verknüpfungen entscheidend. Die grafische Darstellung der Pegel- und Delayanzeige in Kreisform schafft Freiräume zu den benachbarten Elementen und reduziert die Informationsdichte bei einer hohen Anzahl von Knotenpunkten ohne dringend benötigten Platz zu verlieren.
Besonders praktisch in der Anwendung: bei Mehrfachselektionen in der Matrix können die Einstellungen der Verknüpfungen über ein modales Fenster relativ oder absolut verändert werden.
Klangobjekte in Position
Die räumliche Positionierung der einzelnen Klangobjekte erfolgt über den En-Scene positions view.
In dieser schematischen Ansicht von Raum, Bühne und Lautsprecherpositionen können die einzelnen Instrumente und Stimmen verschoben werden. Auch in der laufenden Show: jedes Klangobjekt stimmt optisch und akustisch überein.
Die einzelnen Klang Objekte zeigen Aktivität und Klangbreite der Quellen an. Den Rest erledigt die Signalmatrix: Das Publikum kann hören, was es sieht und sehen, was es hört.
Tour de France in Düsseldorf
Als Zuhörer und Zuschauer konnte ich dann noch ein weiteres mal Kraftwerk mit Einsatz von En-Scene erleben. Diesmal im Düsseldorfer Hofgarten am 01.07.2017 als musikalisches Rahmenprogramm zum Tour de France Einzelzeitfahren. Auch diesmal war ich skeptisch: open Air und 15.000 Zuschauer, kann 3D Sound auf einer so großen Fläche funktionieren? Es funktionierte und passend zum Thema des Konzerts kann ich zusammenfassend sagen:
Pulsfrequenz im Härtetest - Tour de France - Tour de France …
Details zu Funktionen und Anwendung von En-Scene gibt es auf der Microsite d&b soundscape zu erfahren: dbsoundscape.com
P.S. Vielen Dank an das Soundscape Team von d&b audiotechnik für die großartige Zusammenarbeit.